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Hello Fresh ist zweifellos einer der ganz großen Profiteure der Corona-Krise gewesen. Das Geschäftsmodell der fertig zusammengestellten und genau rationierten Kochboxen inkl. passender Rezepte traf den Nerv der Zeit. Denn viele Leute wollten auch trotz geschlossener Restaurants nicht auf abwechslungsreiche und schmackhafte Speisen verzichten. Dies spiegelt sich in den Geschäftszahlen wider: So betrug die Umsatzsteigerung von 2019 auf 2020 unglaubliche 107 %. Und zum ersten Mal in der mittlerweile zehnjährigen Unternehmensgeschichte wurden unterm Strich schwarze Zahlen geschrieben. Der Gewinn nach Steuern betrug stattliche 369 Millionen Euro. Auch für die Zukunft sehen die Analysten und das Unternehmen selbst noch weiteres Wachstumspotenzial. Das frühere Start-up aus Berlin scheint also in eine strahlende Zukunft zu blicken. Doch bis zum heutigen Tage war es ein sehr steiniger und anstrengender Weg. Im folgenden Artikel wollen wir einen Blick auf den Werdegang von Hello Fresh werfen.

Das Geschäftsmodell: Gesunde Ernährung einfach machen

Die Gründung von Hello Fresh erfolgte im Jahr 2011 durch Dominik Richter, seinen früheren Kommilitonen Thomas Griesel und die Unternehmensberaterin Jessica Nilsson. Unterstützung finanzieller Natur erfuhr das Start-up, welches zu Anfang noch Jade 1314 hieß, dabei durch das Venture Capital Unternehmen Rocket Internet des deutschen Milliardärs Oliver Samwer. Rocket Internet, welches übrigens auch maßgeblich beim heutigen DAX-Unternehmen Delivery Hero beteiligt gewesen ist, bewies retrospektiv betrachtet einen guten Riecher und erkannte früh das disruptive Potenzial des Geschäftsmodells. Die Grundidee des in Berlin entstandenen Start-ups war es, den potenziellen Kunden eine gesunde Ernährung auf zeitsparende Art und Weise zu ermöglichen. Durch frische und hochwertige Zutaten, welche mengenmäßig genau auf die von Spitzenköchen kreierten Rezepte abgestimmt waren, sollte eine ständig gestresste, urbane und gut verdienende Zielgruppe angesprochen werden. Denn die Vorzüge einer Ernährung mit frischen und gesunden Lebensmitteln sind allgemein bekannt; lediglich an der Umsetzung hapert es bei vielen Leuten aufgrund mangelnder Zeit und fehlender Kreativität. Diese Marktlücke erkannte Richter. Alle Gerichte wurden so konzipiert, dass auch Laien keinerlei Probleme bei der Zubereitung haben. Der große Vorteil des Berliner Start-ups war und ist bis heute der digitale Bestellablauf des im Abomodell vonstattengehenden Bezugs der Kochboxen. Schließlich gilt die Lebensmittelbranche als einer der am wenigsten digitalisierten Wirtschaftszweige überhaupt; genau hier schlummerte also verborgenes Potenzial.

Schnelle Expansion

Der bis zum heutigen Tage als CEO fungierende Dominik Richter kann eine sehr interessante Vita aufweisen: Bachelor an der renommierten Otto Beisheim School of Management (WHU), Master an der London School of Economics, eineinhalbjährige Tätigkeit für Goldmann Sachs, vorher semiprofessioneller Fußballspieler in Österreich. Schon während seines Studiums probierte er sich an zwei Start-ups. Ein sehr umtriebiger und zielstrebiger Charakter also, ohne Scheu, etwas Neues zu probieren. Kein Wunder also, dass Hello Fresh rasend schnell Fortschritte machte. Die ersten Produkte, damals noch in Tüten statt in Boxen zusammengestellt, wurden bereits 40 Tage nach dem Kick-Off-Meeting ausgeliefert. Schon drei Monate nach Gründung war man in sieben deutschen Städten sowie in fünf verschiedenen Ländern der EU aktiv. Nach 13 Monaten, also im Dezember 2012, konnten in einer Investorenrunde, bei der neben Rocket Internet auch der bekannte Haushaltsgerätehersteller Vorwerk mit an Bord war, bereits 10 Millionen Euro für die weitere Expansion eingesammelt werden. Zu diesem Zeitpunkt reiften bereits Pläne für einen Markteintritt in die USA, die schließlich 2014 in die Tat umgesetzt wurden. Bereits vorher trug die Internationalisierung schnell Früchte. 2013 konnte, im Vergleich zu 2012, ein explosionsartiges Umsatzwachstum von 517 % vermeldet werden.

Kampf um Marktanteile

In den USA, dem heutzutage wichtigsten Markt für die Berliner, wurde der Kampf um Marktanteile allerdings mit harten Bandagen geführt. Mit dem 2012 gegründeten Blue Apron gab es schließlich einen lokalen Mitbewerber, der auf dem heimischen Terrain den First-Mover-Vorteil hatte. Außerdem hatte man mit relativ hohen Kundenabwanderungsraten zu kämpfen. Hello Fresh liefert seine Kochboxen, wie bereits erwähnt, im Abomodell aus. Dessen Kündigung ist für die Kunden allerdings problemlos möglich. Studien zufolge lag die jährliche Kundenbindungsrate in den ersten Jahren bei gerade einmal 10 bis 15 %. Somit war man dazu verdammt, ständig neue Kunden zu akquirieren. Kein Wunder also, dass bis zu 30 % des Umsatzes in Marketingmaßnahmen flossen. Diese Marketingausgaben fruchteten allerdings. Das damals noch eher unbekannte Influencermarketing über Instagram und Co. war ein Paradebeispiel für perfekte Zielgruppenansprache und verhalf den eigenen Produkten zu schneller Bekanntheit. Sogar Hollywoodschauspielerin Jessica Alba konnte zeitweise als Werbefigur gewonnen werden. Auch eigene Hashtags (#HelloFreshPics), verbunden mit ansehnlichen Fotos der Speisen auf Instagram, trugen zum Erfolg bei. Weitere Marketingaktionen waren Rabatte für Bestandskunden beim Werben von Freunden, In-App-Angebote auf Spotify und den Einsatz von „Fußsoldaten“, die in Metropolen wie Sidney, London und New York von Haustür zu Haustür gingen und um Kunden warben. Gegen diesen Marketingmix hatte Blue Apron keine Chance; seit Jahren kämpfen die New Yorker mit rückläufigen Umsätzen.

IPO erst im zweiten Anlauf

Der hart geführte Kampf um Marktanteile und die damit verbundenen Marketingausgaben sorgten in den Jahren bis 2019 für tiefrote Zahlen. Um sich frisches Kapital zu beschaffen und die Zeit bis zum Sprung in die Gewinnzone überbrücken zu können, plante man daher 2015 den Gang an die Börse. Zu diesem Zeitpunkt, also gerade einmal vier Jahre nach der Gründung, wurden bereits mehrere Millionen Kochboxen pro Monat verkauft. Nach einer Finanzierungsrunde kurz vor dem geplanten IPO wurde der Unternehmenswert von Hello Fresh mit stolzen 2,6 Milliarden Euro taxiert. Rocket Internet hielt damals 57 % der Anteile. Deren Chef Oliver Samwer strebte für den IPO einen Börsenwert von 3,3 Milliarden Euro an. Zu viel laut Meinung der anderen beteiligten Investoren, weswegen der Börsenstart kurzfristig abgeblasen wurde. Der Börsengang klappte erst zwei Jahre später. Doch das damalige Marktumfeld war nicht gerade günstig. Der bereits angesprochene Konkurrent Blue Apron hatte seinen kurz zuvor stattgefundenen Börsengang ziemlich verpatzt. Aktionäre mussten innerhalb weniger Monate einen Kursverlust von über 50 % hinnehmen. Grund war unter anderem das schlecht laufende Geschäft, damit verbundene Mitarbeiterkündigungen sowie die Absichtserklärung von Amazon, in den Markt für Kochboxen einsteigen zu wollen. Hello Fresh musste sich daher 2017 mit einer geringeren Bewertung als eigentlich angestrebt begnügen. Der am Frankfurter Börsenparkett festgelegte Ausgabepreis lag bei 10,25 Euro. Statt 357 Millionen Euro wurden aber immerhin 318 Millionen Euro eingenommen.

Schwarze Zahlen dank Corona-Boost

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, stellte das Jahr 2020 einen Wendepunkt für das Berliner Kochboxunternehmen dar. Die Umsätze sprudelten und der Turnaround hin zur Profitabilität klappte endlich. Wer zum IPO 2017 bereits investiert war, kann sich mittlerweile über eine stolze Rendite von ca. 680 % freuen. Allen früheren Unkenrufen zum Trotz ist man heutzutage der klare weltweite Marktführer im Bereich Kochboxen. In allen wichtigen Märkten wie den USA, Kanada oder Großbritannien liegt der eigene Marktanteil bei über 50 %. Dabei wächst man nicht nur organisch, sondern (vor allem jenseits des Atlantiks) auch durch kluge Zukäufe. Mittlerweile vereinen die Berliner neben ihrer Kernmarke vier weitere Marken unter ihrem Dach. Factor75 beispielsweise steht für fertig vorgekochte Fitnessgerichte für eine sportliche Zielgruppe, wohingegen Green Chef als Premiumanbieter für Kochboxen ausschließlich auf Bio-Zutaten setzt. Essentiell für den heutigen Erfolg ist auch die deutlich gestiegene Kundenbindungsrate, die mittlerweile etwa 40 % beträgt.

Weiteres Wachstum wahrscheinlich

Auch der Blick in die Zukunft sieht sehr vielversprechend aus: Im ersten Quartal 2021 konnte man eine Steigerung der monatlich aktiven Kunden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 74 % auf 7,3 Millionen vermelden. Unternehmensseitig wird für das Gesamtjahr 2021 ein Umsatzwachstum zum ohnehin starken Vorjahr 2020 von 35 bis 45 % erwartet. CEO Dominik Richter sieht den Vorteil des eigenen Geschäftsmodells vor allem darin begründet, dass man, im Gegensatz zu herkömmlichen E-Commerce-Unternehmen, eine höhere Kundenbindung durch das Abomodell erreicht. Außerdem ist man im Vergleich zu anderen Playern der Lebensmittelbranche stark vertikal in der gesamten Wertschöpfungskette integriert. Während im herkömmlichen Prozess des Lebensmittelverkaufs sowohl der produzierende Lebensmittelkonzern als auch die Groß- und Einzelhändler ihren Teil vom Kuchen abhaben wollen, kann der deutsche Kochboxlieferant all diese Margen selbst einstreichen. Lediglich die regionalen Produzenten der Zutaten müssen mit beteiligt werden. Der eigene Unternehmensanspruch ist daher auch nicht geringer, als der weltweit führende Anbieter für vertikal integrierte Food Solutions zu werden. Weiteres Potenzial, um den eingeschlagenen Wachstumspfad auch die nächsten Jahre konsequent zu beschreiten, ist laut Unternehmensangaben definitiv vorhanden. Die aktuelle Marktdurchdringung sieht man bei gerade einmal 3,2 % in den USA und 4,2 % im Rest der Welt. Oder in Zahlen ausgedrückt: Der insgesamt adressierbare Markt beläuft sich weltweit auf 135 Millionen Haushalte, von denen Ende 2020 lediglich 5 Millionen zur eigenen Kundschaft zählten. Auch Experten sehen noch deutlich Luft nach oben, denn das angenommene jährliche Marktwachstum im Bereich Kochboxen wird voraussichtlich ca. 12 % betragen. Weiteres Potenzial schlummert in der weiteren Automatisierung von Unternehmensabläufen, der Erweiterung der Produktpalette um Goodies wie z. B. fertige Salate sowie dem Markteintritt der weiteren unternehmenseigenen Franchises wie etwa Green Chef außerhalb der USA. Zusätzlich spielt dem Unternehmen eventuell die aktuell nicht klar einschätzbare Corona-Lage weiter in die Karten, denn bei wieder ansteigenden Fallzahlen könnte die Gastronomie zu erneuten Schließungen gezwungen werden. Alles in allem stehen die Zeichen daher auf weiteres Wachstum.