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Der Deutsche Aktienindex, abgekürzt DAX, ist der wichtigste und bekannteste aller deutschen Aktienindizes. Aktuell stellt der 1988 erschaffene Index die Wertentwicklung der größten 30 deutschen Unternehmen dar. Was viele Anleger nicht wissen: Beim Deutschen Aktienindex handelt es sich im Gegensatz zu bekannten Indizes aus den USA wie dem S&P 500 oder dem NASDAQ, die reine Kursindizes sind, um einen sogenannten Performance-Index. Dies bedeutet, dass der Punktestand berechnet wird, indem neben den Kursgewinnen auch ausgeschüttete Dividenden der Unternehmen ohne Abschlag (also ohne dem in der Realität vollzogenen Einbehalt der Kapitalertragssteuer) einbezogen werden. Seit Dezember 2020 treten stufenweise einige Reformen des DAX in Kraft. Unter anderem wird er auf 40 Unternehmen aufgestockt. Im folgenden Artikel erläutern wir, warum die Neuerungen in Kraft treten, was sich genau ändert und welche Unternehmen sich in der Pole Position für einen Neu- bzw. Wiedereinzug befinden.

Warum wird der DAX reformiert?

Der Hauptgrund für die Neuerungen liegt sicherlich in der skandalösen Wirecard-Pleite. Am 25. Juni 2020 stellte der einstige deutsche Hoffnungsträger aus dem Bereich der New Economy einen Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Dies beschädigte den Wirtschaftsstandort Deutschland, der international vor allen Dingen für finanziell solide und bilanziell sauber geführte Unternehmen stand, nachhaltig. Es folgte ein Untersuchungsausschuss im Bundestag und die vor allen Dingen von Politikern geäußerte Forderung, aus dem Versagen der Prüf- und Kontrollinstanzen Konsequenzen zu ziehen. Dem kamen die Deutsche Börse und der Indexbetreiber STOXX nach, indem die finanziellen Aufnahmekriterien und die Prüfverfahren zukünftig verschärft werden. Dazu später mehr.

Ein weiterer gewichtiger Grund für die Neuerungen ist, dass der DAX größtenteils aus Industrieunternehmen der sogenannten Old Economy wie der Chemie- oder Pharmabranche besteht. Aussichtsreiche Start-ups mit starkem Kapitalhunger und aufstrebende Wachstumsunternehmen der New Economy mit Geschäftsmodellen aus dem Bereich der Digitalisierung sind bisher vor allem in den kleineren Indizes MDAX oder SDAX vorzufinden. Bezeichnend auch, dass sich etwa Biontech oder CureVac an amerikanische Börsen listen lassen haben, da sie befürchteten, in Deutschland zu wenig Beachtung durch die Investoren zu erfahren. In der Tat muss konstatiert werden, dass der Deutsche Aktienindex im Vergleich zu seinen amerikanischen Pendants eine sehr durchwachsene Rendite lieferte, sofern der reine Kursindex ohne reinvestierte Dividenden betrachtet wird. Der Startwert lag Anfang 1988 bei 1000 Punkten. Während der Performance-Index sich heute im Bereich von etwa 15.500 Punkten bewegt, liegt der Kursindex bei dürftigen 6.600 Punkten. Letzteres entspricht einer gemittelten Jahresrendite von 5,60 %. Zum Vergleich: Der S&P 500 liegt seit 1957 bei etwas über 8 %. Durch den Neueinzug von Growth-Unternehmen wie Zalando oder HelloFresh verspricht man sich hierzulande also größere Dynamik in Sachen zukünftiger Kursentwicklung des Index.

Was wird konkret geändert?

Wie bereits erwähnt, wird der DAX zum einen auf 40 Unternehmen aufgestockt. Die bisherige Berechnungsmethode, nach welcher die Unternehmen mit der höchsten Marktkapitalisierung ihrer im Free Float befindlichen Aktien auch am höchsten gewichtet werden, wird aber beibehalten. Diese Art der Indexgewichtung sorgt dafür, dass etwa VW nur die zwölfhöchste Position im Deutschen Aktienindex hat, obwohl der Autobauer nach seinem reinen Börsenwert Rag drei einnehmen würde. Die zehn Neuankömmlinge werden also entsprechend ihrer jeweiligen Streubesitz-Marktkapitalisierung integriert und lediglich die prozentualen Anteile der bisherigen Mitglieder wird angepasst. Der Punktestand des deutschen Hauptindizes bleibt übrigens unverändert. Somit müssen bspw. auch Zertifikate, die die Werteentwicklung anhand des Punktestandes abbilden, nicht überarbeitet werden. Dieser Teil der Reform geht zu Lasten des MDAX, der nicht nur seine zehn stärksten Mitglieder verliert, sondern auch auf 50 Werte schrumpft.

Zum anderen wird der Wirecard-Pleite Rechnung getragen, indem die Aufnahmekriterien für Neumitglieder verschärft werden. Bisher galt die Erfüllung folgende Kriterien als Pflicht:

  • Listung im Prime Standard, dem höchsten Transparenzstandard (u. a. Pflicht zur Buchführung nach IFRS, Veröffentlichung von Finanzergebnissen im ersten und dritten Quartal und Pflicht zu Ad-hoc-Mitteilungen in Deutsch und Englisch)
  • Juristischer oder operativer Sitz in Deutschland bzw. Sitz in der EU und Schwerpunkt des Aktienhandels in Frankfurt
  • Streubesitz muss mindestens 10 % betragen
  • Aktien müssen fortlaufend über Xetra und in Frankfurt gehandelt werden.

Der Eintritt in den DAX erfolgte bisher dann, sofern das neu aufzunehmende Unternehmen nach den Kriterien der Marktkapitalisierung des Aktien-Streubesitzes und des Börsenumsatzes, auch Handelsvolumen genannt, zu den Top 25 (Fast-Entry) oder Top 30 (Regular-Entry) Unternehmen in Deutschland gehörte. Ein bisheriges Mitglied muss gleichzeitig in einem der beiden Kriterien schlechter als Rang 35 sein. Das Handelsvolumen meint in diesem Fall übrigens den monetären Wert der an einem Tag gehandelten Wertpapiere eines Unternehmens. Daneben gibt es noch die Möglichkeit, durch den Ausschluss eines bisherigen Mitgliedes (Fast-Exit oder Regular-Exit) in die höchste deutsche Börsenliga aufzusteigen. Ein solcher Ausschluss setzt die Unterschreitung der beiden genannten Kriterien durch ein DAX-Mitglied voraus.

Seit Dezember 2020 muss zur Mitgliedschaft im Deutschen Aktienindex zusätzlich ein positives EBITDA in den vergangenen zwei Finanzberichten nachgewiesen werden können. EBITDA steht dabei für Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization oder übersetzt Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände. Vielen konservativen Anlegern ist sauer aufgestoßen, dass mit der Lieferdienst-Holding Delivery Hero ausgerechnet ein bisher hoch defizitäres Unternehmen die Nachfolge von Wirecard im Deutschen Aktienindex angetreten hat. Obwohl Delivery Hero diese Voraussetzung also nicht erfüllen kann, muss das Berliner Unternehmen nicht um seinen Ausschluss fürchten, da die Regelungen erst für zukünftige Nachrücker gelten sollen. Seit März 2021 besteht zudem die Pflicht, nicht nur im ersten und dritten Quartal, sondern vierteljährlich beglaubigte Geschäftsberichte vorzulegen. Bei einer mehr als 30-tägigen Fristüberschreitung zur Vorlage erfolgt der sofortige Indexausschluss. Außerdem wird die Zusammensetzung der höchsten deutschen Börsenliga zweimal statt wie bisher nur einmal pro Jahr überprüft. Beides ist eine direkte Reaktion auf Wirecard, die nach ihrer Pleite noch monatelang unter den Top 30 Unternehmen Deutschlands gelistet blieben. Des Weiteren besteht gemäß des Deutschen Corporate Governance Kodex die Maßgabe zur Einberufung eines Prüfungsausschusses im Aufsichtsrat jedes Unternehmens. Ab September 2021 entfällt in einem letzten Schritt schließlich die binäre Gliederung der Aufnahmekriterien. Der Börsenumsatz bleibt zukünftig unberücksichtigt; obligatorisch für Auf- und Abstiege wird nur noch nach die Marktkapitalisierung des Streubesitzes sein. Allerdings müssen alle Unternehmen eine Mindestliquidität ihrer Anteilsscheine nachweisen.

Das sind die aussichtsreisten Kandidaten für den DAX-Aufstieg

Airbus

Falls der Aktienkurs nicht völlig überraschend stark einbricht, ist Airbus der sicherste Neuzugang in der deutschen Börsen-Beletage. Der deutsch-französische Luft- und Raumfahrtkonzern, der einen beträchtlichen Teil seiner Umsätze mit Rüstungsgeschäften macht, würde nach sich nach Marktkapitalisierung bereits in den Top zehn in Deutschland befinden. Bisher scheiterte die Aufnahme daran, dass die Aktie größtenteils in Paris gehandelt wird (Stichwort Börsenumsatz).

Zalando

Auch mit großer Wahrscheinlichkeit dabei ist Zalando. Der europaweit größte Online-Versandhändler für Modeartikel zählt zweifellos zu den Corona-Gewinnern. Seit Jahren kann das Berliner Unternehmen Umsatzwachstumsraten von über 20 % vermelden, auch für die Zukunft ist mit weiteren Zuwächsen zu rechnen. Allerdings ist man vergleichsweise teuer bewertet.

Siemens Healthineers

Ebenfalls sehr gute Chancen hat der 2018 vom Mutterkonzern abgespaltene Medizintechnikspezialist Siemens Healthineers. Der Weltmarktführer für bildgebende Medizin (Röntgen, Ultraschall usw.) hat 2020 den Strahlentherapiespezialisten Varian übernommen und dadurch sein Produktportfolio weiter gestärkt. Für 2021 wird mit einem Ergebnis von 1,93 € je Aktie gerechnet, was eine Steigerung von 36 % zum Vorjahr bedeuten würde.

Symrise

Ein typisch deutscher Hidden Champion ist Symrise. Das Unternehmen aus Holzminden in Niedersachsen fertigt Duft- und Geschmacksstoffe, vornehmlich für die Lebensmittel-, Chemie- und Konsumgüterindustrie. Seit Jahren kann man konstant steigende Umsätze und Gewinne im niedrigen zweistelligen bis mittleren einstelligen Bereich erzielen. Auch zukünftig soll das Wachstum anhalten.

HelloFresh

Ziemlich untypisch in der deutschen Börsenlandschaft ist hingegen HelloFresh. Der Kochboxlieferant ist der New Economy zugehörig und bildet in seinem Marktsegment die Weltspitze. Dank Corona wurden 2020 die Umsätze um über 100 % gesteigert sowie zum ersten Mal schwarze Zahlen vermeldet. Für dieses Jahr erwarten Analysten eine weitere starke Steigerung um 41 %.

Porsche Automobilholding

Nicht zu verwechseln mit dem Luxuswagenhersteller Porsche ist die Porsche Automobil Holding SE, in der die ursprünglichen VW-Eigentümer Porsche und Piech verschiedene Beteiligungen, natürlich insbesondere die an Volkswagen, halten. Aufgrund des gut angelaufenen Jahres bei VW und der starken Zukunftsperspektive im Bereich E-Mobilität sehen Analysten in der Porsche Aktie noch hohes Kurspotenzial für dieses Jahr.

Brenntag

Brenntag ist der Weltmarktführer im Handel mit Chemikalien. Das in 73 Ländern aktive Unternehmen kauft die Chemikalien von Großhändlern ein, lagert diese und distribuiert diese anschließend in kleineren Mengen weiter. Innerhalb eines Jahres beträgt die Kursperformance starke 60 %. Auf dem aktuellen Preisniveau sehen die meisten Analysten die Aktie allerdings bereits als fair bewertet an.

Sartorius

Ein ganz besonderer Corona-Profiteur ist Sartorius. Keiner der aktuellen Covid-Impfstoffe konnte ohne die Gerätschaften des Spezialisten für Biopharmabedarf hergestellt werden, was die extrem starke Marktstellung des Göttinger Unternehmens widerspiegelt. Sartorius gilt von seiner Kursperformance her als eine der besten deutschen Aktien der vergangenen Jahre. Um unglaubliche 112 Prozent konnte der Gewinn im 1. Quartal 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesteigert werden. Dank des weltweiten Biopharmabooms scheint weiteres Wachstum wahrscheinlich.

Puma

Puma ist nach Adidas der größte deutsche Sportartikelhersteller. Während im letzten Jahr Umsatz und Gewinn durch Corona deutlich in Mitleidenschaft gezogen wurden, wird für dieses Jahr ein Umsatzwachstum im Bereich von 20 % und eine Gewinnsteigerung von etwa 75 % erwartet.

Weitere aussichtsreiche Aufrück-Kandidaten sind der Konsumgüterhersteller Beiersdorf, der Diagnostikspezialist Qiagen, der Immobilienkonzern LEG Immobilien und der Rückversicherungsspezialist Hannover Rück.